Mittelwald

Schaffung eines Mittelwaldes in der oberen Belpau - die Burgergemeinde Belp als Pionierin einer alten Waldbewirtschaftungsform in Zusammenarbeit mit dem Kanton Bern

Presseinformation

Entstehungsgeschichte

Die Burgergemeinde Belp pflegt seit Jahrzehnten eine naturnahe Bewirtschaftung ihrer Auenwaldungen. Diese liegen zwischen der Schützenfahrbrücke (bei der Badeanstalt Münsingen) und dem Restaurant Jägerheim linksufrig der Aare.  Das Gebiet umfasst rund 150 Hektaren Wald. Die Bewirtschaftung erfolgt seit ca. 1865 mit Betriebsplänen. Früher wurden diese Waldungen mittelwaldartig bewirtschaftet. Seit mehreren Jahrzehnten (Zeitraum ab 1930 bis 1940) werden sie im Hochwaldbetrieb gepflegt und durchforstet. Der Kanton Bern war bzw. ist im Rahmen des Aktionsprogrammes „Biodiversität“ auf der Suche nach Waldflächen, welche sich für die traditionelle und kulturhistorische Form der Mittelwaldbewirtschaftung, die ökologisch und landschaftlich besonders wertvoll ist, eignen. Gestützt darauf fanden im  Jahr 2009 erste Gespräche zwischen dem zuständigen Oberförster, Philipp Mösch-Grünenwald, Vorsteher Waldabteilung 5 und dem Burgerrat der Burgergemeinde Belp sowie dem Revierförster Arnold Biland statt. Auch für die Oeffentlichkeit stellt  die Umstellung einen massiven Eingriff in das Waldbild dar, deshalb musste der Entscheid und das Vorgehen weitsichtig geplant und mit allen möglichen Betroffenen (Waldabteilung 5, ANF, KAWA, Wasserverbund Region Bern AG) besprochen werden. Da es sich um ein Pionierprojekt im Kanton Bern handelt, suchte der Burgerrat zusammen mit den zuständigen Forstleuten des Kantons als Anschauungsunterricht ein Beispiel.  Ein solcher bestehender Mittelwald wurde in Niederdorf, BL, schliesslich gefunden. Das Waldbild wusste zu gefallen. Die entsprechenden Aufträge zur Erarbeitung einer Grundlagendokumentation für eine Mittelwaldbewirtschaftung wurden an das Büro Pan Bern AG erteilt. Im Frühjahr 2011 genehmigte die Burgergemeindeversammlung Belp den Abschluss eines Dienstbarkeitsvertrages mit dem Kanton Bern zur Errichtung eines Teilreservates, über die Dauer von 50 Jahren, auf einer Fläche von 24,8 Hektaren. Zusätzlich wurde ein Bewirtschaftungsvertrag von 10 Jahren, rückwirkend ab 1.1.2011, gutgeheissen.

Was ist ein Mittelwald

Mittelwälder bestehen aus einer Hauschicht (periodisch auf den Stock gesetzte Unterschicht) und einer vielschichtigen Oberschicht. Letztere entsteht, indem in jeder Hiebsperiode sogenannte Lassreitel aus der Unterschicht ausgewählt und in die Oberschicht gepflegt werden. Demnach ist die Oberschicht ungleichaltrig aufgebaut, wobei die Altersstruktur ein Vielfaches des Unterholzumtriebes beträgt. Eine plenterwaldähnliche Stammzahlverteilung entwickelt sich. Auf gleicher Fläche finden eine vegetative Verjüngung aus Stockausschlägen mit kurzen Umtriebszeiten sowie eine für den Hochwald typische generative Verjüngung (aus Samen) mit langen Umtriebszeiten statt.

Die Mittelwaldbewirtschaftung ist durch ein sehr kleinflächiges, räumliches wie zeitliches Mosaik verschiedener Waldentwicklungsstufen gekennzeichnet sowie durch generell lichte Waldstrukturen (parkähnliches Waldbild unmittelbar nach Ersteingriff). Aufgrund dessen weisen traditionell bewirtschaftete Mittelwälder einen vielfältigen Strukturenreichtum sowie einen hohen Anteil wärme- und lichtliebender, seltener Arten auf. Durch das Vorkommen und Belassen von dimensionsstarkem Totholz gibt es in Mittelwäldern ebenfalls viele spezialisierte Totholzbewohner, vor allem Insekten.

Alles zusammen macht den Mittelwald zu einer wertvollen, naturnahen Waldbewirtschaftungsform. In Anlehnung an die Auenschutzverordnung soll mit der nachhaltigen Mittelwaldbewirtschaftung trotz fehlender Auendynamik eine auentypische Landschaft aktiv gestaltet und erhalten werden.

Vorgehen

Der Ersteingriff zur Umstellung der Waldform innerhalb des Reservates erfolgt verteilt während 10 Jahren auf zirka 2 Hektaren pro Jahr. In den nachfolgenden Jahren werden Folgeeingriffe, Durchforstung und Pflege vorgenommen. Ueber die ganze Vertragsdauer hinweg erfolgt zudem die Pflege des Waldrandes und der Gewässeränder. Nach Ablauf der Vertragsdauer steht es den Parteien frei, eine Vertragsverlängerung im gegenseitigen Einvernehmen vorzunehmen. Für die Bewirtschaftung wurden klare Ziele formuliert, welche mittels einer Erfolgskontrolle durch den Kanton überprüft werden. Folgende Zielwerte wurden  u.a. definiert:

  • Förderung der Stieleiche: Bestandesanteil in 35 Jahren rund 30 %;
  • Laubholzanteil auf mindestens 75 % in der Oberschicht;
  • Anteil verschiedener seltener und auentypischer Baumarten 5 – 10 % u.s.w.

Das ganze Projekt wird durch das Amt für Wald mit finanziellen Beiträgen unterstützt.

Damit leistet die Burgergemeinde Belp in unserer Region einen aktiven Beitrag im Rahmen der Biodiversität und ist zugleich Pionier für diese historische Waldform im Kanton Bern. Die Bevölkerung von Belp und alle Interessierte sind herzlich eingeladen, jeweilen ab Frühjahr, (erstmals 2012) die Waldumstellung nach erfolgtem Eingriff zu beobachten und sich an der schönen, vielleicht ungewohnten Waldform zu erfreuen. Zwecks Schonung von Fauna und Flora sind die vorhandenen Wege zu benutzen. Wir freuen uns auf Ihren Besuch in unserem hochinteressanten Mittelwaldprojekt.

 

Belp, 19. Juli 2011

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